PDF – Von der Revolution in der Vergangenheit bis zur Zukunft
Mit Smart-Information kann man Informationsprodukte auch drucken – nach wie vor sauber auf Papier. Richtig schön statisch, monodirektional, un-smart für den Anwender. Kann man machen.
Zur Erinnerung: Wir haben unser Leben mit Smartphones und Tablets eingerichtet. Das Smartphone ist in fast allen Bereichen zur Informationsplattform Nr. 1 gewachsen, und das nicht nur für die “Digital Natives”, sondern auch für die älteren Generationen der “Digital Immigrants”. Und dann kommen unsere Produktmanager und Technischen Redakteure mit 2500 Seiten Papier als Anleitung für einen Baukran? Wie zukunftsorientiert ist das denn?
Nun gut, wir gehen die Digitalisierung jetzt endlich an, werden richtig zukunftsorientiert: Wir liefern die 2500 Seiten 1:1 elektronisch als PDF-Datei aus. Das ist cool. Oder nicht?
PDF war die Revolution. (Fast) alle Herausforderungen und Probleme der Druckvorstufe waren mit einem Schlag gelöst. Das war vor 30 Jahren.
Was davon ist als unverzichtbarer Nutzen übrig geblieben, was davon ist im Smart-Information-Zeitalter überflüssig geworden? In welchen Bereichen wird PDF als Nischenformat dauerhaft überleben, weil es anderen moderneren Formaten überlegen bleiben wird? Und wo brauchen wir PDF vorerst noch, weil ein Umstieg auf Alternativen nicht von heute auf morgen realisierbar ist?
In diesem Beitrag befassen wir uns zunächst mit der Geschichte der PDF-Entwicklung und den Möglichkeiten der Verwendung im Smart-Information-Umfeld.
Die Zeit war reif für PDF
Man erinnere sich an die Zeit vor PDF: Riesige Postscript-Dateien wurden auf winzig kleinen, sequentiell beschriebenen und gezippten Wechseldatenspeichern zum Laserbelichter getragen, der die Druckfilme in schneckengleicher Geschwindigkeit daraus erzeugte. Allzu oft fehlten die Schriftendateien, meistens nur die Lizenzen dazu. Die eingebundenen Fotos waren immer zu groß, die Postscript-Dateien produzierten Abbrüche mit Syntaxfehlern.
Adobe brachte PDF heraus, dazu den kostenlosten Adobe Reader (damals Acrobat Reader) und das Acrobat-Paket, das auf die Dauer der Jahre durch Kumulation der Lizenzgebühren überaus kostenintensiv für die PDF-generierenden Unternehmen wurde – glücklicherweise blieb der Adobe Reader mit seinen inzwischen sehr umfangreichen Komfortfunktionen kostenlos. Auch, dass der Acrobat mit PDF ein proprietäres und wenig transparentes Gesamtsystem war, das war damals nicht wichtig, die Vorteile von PDF waren überragend.
PDF hat sich seither zu einem vielseitigen Containerformat entwickelt. Auch, wenn es trotz Offenlegung und Normierung des Quellcodes intransparent und alles andere als flexibel bleibt. PDF ist – ein gewisses Know-How vorausgesetzt – einfach zu handhaben.
Zudem bietet es überaus viele Funktionen in einer einzigen Containerdatei.
Die in den letzten Jahrzehnten entwickelten Spezialfunktionen sind allesamt in die PDF-Datei eingebettet. Beispielhaft gehören dazu die Bereiche Sicherheit, Formulare, RichMedia und Vorbereitung für unterschiedliche Publikations- und Präsentationswege.
Vieles davon ist aber nur deswegen gut handhabbar, weil PDF das Portable Document Format ist, ein Containerformat also für komplette Dokumente. Der in den letzten Jahren bevorzugte Trend zur Modularisierung von Informationsprodukten, also von monolithischen Dokumenten, passt nicht ganz zu PDF – PDF verliert dadurch in vielen Anwendungsbereichen seine Vorteile. Der Container PDF ist träge geworden – ohne die Möglichkeiten, mit Modularität umzugehen, hat er den Anschluss an Smart-Information verpasst.
Diskussion der Alleinstellungsmerkmale von PDF für das Smartphone
Was von diesen Vorteilen einer PDF-Datei bleibt nun übrig, wenn wir nicht drucken wollen, sondern Informationsprodukte auf dem Smartphone oder Tablet wiedergeben möchten?
Schutzmaßnahmen
Die Schutzmechanismen des Acrobat verlieren in einem Smart-Information-Umfeld schnell an Bedeutung, wenn man die ausgeklügelte Rechteverwaltung einer Smart-Information-App betrachtet: Diese muss ja genau diese Schutzmaßnahmen im Rahmen ihrer Aufgabe der Nutzerzentrierung mitbringen. Einzig das unbefugte Entnehmen von Inhalten, beispielsweise aus den eingebetteten 3D-Konstruktionsdaten (siehe auch Beitrag von Georg Eck dazu), muss zuverlässig unterbunden werden können.
Beibehalten von Seitenlayout und Typografie
Es ist leicht verständlich, dass das Seitenlayout einer statisch angelegten A4-Druckseite auf einem Smartphone-Bildschirm unzureichend leserlich sein dürfte: Herunterzoomen auf Ganzseitenansicht lässt die Buchstaben unter 1 Punkt Schriftgröße verschwimmen, Hochzoomen auf die Leserlichkeit der Texte dagegen zeigt nur einen Teilausschnitt der Druckseite – hektisches Herumgescrolle ist die Folge.
Die aktuelle PDF-Version 2.x bietet einen dynamischen Zeilen- und Seitenumbruch, der das Lesen einer PDF-Druckseite im Sinne eines “responsive Design” auf dem Smartphone erleichtern wird.
Navigation und Orientierung
PDF bietet für Onscreen-Anwendungen auf Desktoprechnern nicht nur eine Stichwortsuche innerhalb einer Datei, sondern auch eine indexgesteuerte Volltextsuche über viele PDF-Dateien hinweg. Der Adobe Reader für mobile Endgeräte bietet letztere Funktion allerdings nicht an, hier müsste auf fremde Anbieter zurückgegriffen werden.
Die Navigation über Lesezeichen und Stichwortverzeichnisse innerhalb der PDF-Datei muss vom Ersteller der Quelldatei explizit vorbereitet und in die PDF-Datei implementiert werden.
Kommentierungsmöglichkeiten
Hier ist die Adobe-Umsetzung im PDF wirklich genial: Vielfältige Notizfunktionen, Kommentare und sogar das Einbinden von Sprache, das Anhängen von Kommentardateien und auch deren Zusammenfassung sind auf jedem Desktoprechner ein Genuss. Moderne Ticketsysteme und Kollaborationsplattformen allerdings bieten gleichen Komfort mit anderen Mitteln.
Monolithische PDF-Dokumente
Es wurde weiter oben schon angesprochen: PDF ist dokumentenorientiert, d. h. PDF wurde erfunden, um komplette Dokumente zu publizieren. Man kann bei PDF natürlich auch Topic-orientiert arbeiten, aber das kann aufwendig werden, was die Verwaltung von PDF-Clustern auf Smartphones betrifft. Es werden also mikrogranulare, metadatengesteuerte Informationseinheiten gebraucht, keine umfassenden PDF-Container, wie wir sie bislang aus der Dokumentenorientierung kennen. Die passen nicht zu “Smart”-Information.
Monolithische Dokumente bedeutet auch: Lange Ladezeiten (Vorsicht bei kleinen Bandbreiten!) bei längeren Dokumenten, ggf. erhöhter Speicherplatzbedarf auf Smartphones mit kleinem Speicher.
Einbetten von Rich Media
Einer der großen Vorteile von PDF war von Anfang an, dass man neben Text und Bildern auch so genannten Rich Media-Content einbetten kann. Zum Beispiel Audiodateien mit gesprochenen Anweisungen, oder interaktive 3D-Grafiken (siehe den Blog-Beitrag dazu von Georg Eck), oder Video-Clips als visuelle Handlungsanweisungen.
Seitdem allerdings Adobe den Programmteil zum Importieren und Konfigurieren von 3D-CAD-Zeichnungen in Acrobat Pro entfernt hat, ist es spezialisierten Fremdfirmen zu verdanken, dass das heute wieder gut gelingt (siehe Beitrag Georg Eck), auch abseits von PDF. Was bleibt nun übrig von den Killerfunktionen von PDF für Smart-Information auf Smartphones?
Tatsächlich kann man bei guter Planung, vorgeschalteten, metadatengesteuerten PDF-Transformatoren und Verwendung brandaktueller Zusatzfunktionen der PDF-Version 2.0 eine Informationsprodukt im PDF auf Smartphones realisieren. Diesen Weg gehen heute (noch) viele Redaktionssysteme. Aber im Vergleich zu echten Smart-Information-Technologien ist diese Lösung nicht wirklich elegant – andere Konzepte und Dateiformate können das besser und lassen sich kompromisslos nutzerzentriert entwickeln. Aber kann man nicht das eine tun, ohne das andere zu lassen?
Beispiel Druckvorstufe, bei der nach heutigem Stand des Wissens kaum ein anderes Austauschformat so gut geeignet ist wie PDF. Selbst aus einer Smart-Information-Umgebung, die ausschließlich mit anderen Formaten arbeitet, wird man zum Schluss für den Druck eine standardisierte PDF/X-Datei erzeugen wollen.
Ähnliches gilt für die Archivierung von Informationsprodukten: PDF ist auf lange Gebrauchszeiten ausgelegt; vor allem in der normierten Spezialversion PDF/A geht man von einer Lesbarkeit von mehr als 50 oder 80 Jahren aus. Auch hier ist kaum eine Konkurrenz in Sicht, auch deswegen, weil eine PDF-Datei als Container sämtliche Seitenelemente und andere PDF-Vorzüge in einer einzigen Datei sichert.
Die Tabelle bewertet die Funktionen von PDF für verschiedene Einsatzbereiche. Die Sterne-Bewertungen können nicht allgemeingültig sein, es kann im Einzelfall andere Einschätzungen geben. Wenn keine Sterne vergeben wurden, kann das heißen, dass die betreffende Funktion unwichtig ist oder sogar negativ.
Es bleibt dabei, PDF wird bleiben. Bestimmte Kernfunktionen lassen sich einfach nur mit extremem Aufwand durch andere Technologien verbessern. PDF wird in Smart-Information-Umgebungen andere Architekturen ergänzen, nicht ersetzen. Das gilt auch andersherum.
Fazit
Keine Frage, PDF war in den letzten 3 Jahrzehnten eine Wohltat für jeden, der in der Druckvorstufe tätig war, oder der Dokumente im Druckformat verteilen musste.
Aber heute? Die Welt entfernt sich vom Papier, die Alleinstellungsmerkmale von PDF in Smart-Information-Umgebungen zählen nur noch in Anwendungsnischen. Andere aktuelle Technologien, jüngere Entwicklungen von zeitgemäßen Dateiformaten, die offen sind hinsichtlich der Steuerung durch elegante IT-Strukturen, bieten dem Nutzer auf Bildschirmen aller Art Vorteile, die PDF – trotz der Fortschritte der Version 2.0 – nur schwerlich erreicht. XML, HTML5 und das von Adobe leider wieder aufgegebene MARS-Format verfügen über zeitgemäß offene und transparente Architekturen, die sich leicht automatisiert steuern lassen.
Aber: Es gibt Ausnahmen, vor allem in der Übergangsphase von Druckdokumenten auf elektronisches Publizieren im Smart-Information-Umfeld. Da ist PDF ein hilfreiches Format, eine gute Einstiegsvariante in die digitale Informationsverteilung auf mobilen Endgeräten, die es Unternehmen ermöglicht, zunächst ohne Änderungen am Content schon einmal ihre Publikationsportale zu befüllen. Auch wird das Generieren von PDF-Dateien als Backup und als Printvariante aus Smart-Information-Umgebungen immer ein wichtiges Argument für PDF bleiben.
Aber für nutzerzentrierte und rollenspezifische Informationsprodukte gilt: Smart-Information mit zukunftsorientierten Formaten gehört die Zukunft.
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Dieter Gust (Freitag, 04 September 2020 10:57)
Eigentlich hatte PDF durchaus die Architektur, geeignet zu sein für "Smart Information" jenseits vom Papier. PDF hat ja als Offline-Container sogar die Fähigkeit voll nutzbar zu sein ohne Internet-Infrastruktur. Der Erfinder Adobe hatte für die Weiterentwicklung vor geraumer Zeit Kunden befragt, inwieweit sie Rich-Media nutzen würden. Da das Ergebnis wohl im Promillebereich lag, hat Adobe bei PDF die Ausrichtung neu definiert, jenseits von Smart Information und Rich Media (bis auf Formular-Workflows).
Und so sah sich Adobe nicht genötigt, im PDF Flash als Basis für Rich-Media endlich zu ersetzen. Schade.
Ich fühle mich an das angebliche Ford-Zitat mit den "schnelleren Pferden" erinnert, aufgrund der Frage, was Kunden damals sich für die Zukunft wünschten.
Der Adobe Reader kann aber übrigens (gleich einem Volltextindex!!) über beliebig viele PDF-Dateien hinweg Informationen suchen und finden (Erweiterte Suche - Strg+Shift+F) wewr weiß das schon? Und Adobe hatte auch schon mal die Idee, ganze PDF-Bibliotheken als Informationskonzept zu betrachten (woraus sich auch eine Topic-Orientierung hätte ableiten lassen) und eigentlich muss man ja kein scheckliches A4-Papier-orientiertes PDF erzeugen.
Aber Adobe (und auch die befragten Anwender) hatten wohl nur Papier und Formulare im Blick).
Eigentlich hatte ja EPUB das Potenzial, als würdiger Nachfolger für das PDF-Format zu gelten, aber außer vergilbten Seitendarstellungen und Papierbuchsimulationen, haben die Urheber von EPUB zumindest die Use-Cases im Bereich TechDok nicht verstanden.
Tja, so bleibt praktisch nur HTML5 als Smart-Information-Format. Dafür benötigt man aber Tools wie die Squidds TechComm-App (oder vergleichbare Delivery-Portal-und Offline-App-Konzepte) damit alles auch offline (hoffentlich) funktioniert. Soll toll HTML5 ist, so problematisch ist ein Offline-Konzept ohne Webserver, weil aus Sicherheitsgründen ein direktes Laden von Objekten in einen HTML-Browser, d.h. ohne Webserver, eigentlich nicht zulässig ist. Jeder Browser legt das "nicht zulässig" nach eigenem Gutdünken aus. HTML-Seiten werden vielleicht geladen, nicht jedoch Rich-Media-Objekte oder gar JavaScript-Scripts, die praktisch ja auch Viren darstellen könnten. Damit wird HTML5 offline für einen Anwender unter Umständen aber ziemlich "un-smart".
Zwischenfazit: PDF bis hin zu 3D-PDF war ausgereift und überschaubar aber vor allem die Schere im Kopf von Anwendern und von Adobe haben Smart-PDFs verhindert.
Nun bietet HTML5 zwar völlig neue smarte Informationskonzepte, aber es ist alles noch eine Pioniersleistung auf ersten Trampelpfaden ohne "Autobahn-Infrastruktur". So wie PDF anfangs oft mehr schlecht als recht funktionierte, stecken HTML5-Lösungen zurzeit noch voller Herausforderungen, aber eine Alternative sehe ich nicht.